Schutzkonzept für das Netzwerk Citykirchenprojekte zur Prävention von und zum Umgang mit sexualisierter Gewalt

Inhalt

1.         Verhaltenskodex (Code of conduct) bei eigenen Veranstaltungen des Netzwerks

2.         Ziel und Inhalt des Schutzkonzeptes des Netzwerks Citykirchenprojekte

2.1.           Grundlagen

2.2.           Umfang und Zielgruppe dieses Schutzkonzepts

3.         Risikoanalyse für das Netzwerk Citykirchenprojekte – mögliche Gefährdungen bei eigenen Veranstaltungen (z.B. Tagungen)

4.        Ergänzende Hinweise und Bausteine zur Erstellung eines Schutzkonzeptes vor Ort

 

1.        Verhaltenskodex (Code of conduct) bei eigenen Veranstaltungen des Netzwerks

für einen möglichst diskriminierungsarmen, nicht wertenden Raum, sowohl analog (z.B. Netzwerk-Tagungen, Akademietagungen) als auch digital („10. um 10“ und andere Formate)

Warum Aufmerksamkeit („Awareness“) und ein Verhaltenskodex („Code of Conduct“)?

Ein achtsamer, aufmerksamer und respektvoller Umgang im Netzwerk Citykirchenprojekte ist uns wichtig, damit sich alle Teilnehmenden wohlfühlen können und Anerkennung erhalten.

  • Awareness geht uns alle an und erfordert aktive Mithilfe. Awareness (dt.: Aufmerksamkeit, Bewusstsein) heißt aufmerksam zu sein für Situationen, in denen die Grenzen und das Sicherheitsgefühl eines Menschen überschritten werden.
  • Unsere Awareness Arbeit beruht darauf, dass bei Veranstaltungen Kommunikationsräume durch die sich darin befindenden Menschen unterschiedlich geschaffen werden. Deswegen möchten wir uns untereinander respektvoll begegnen.
  • Wir möchten aufmerksam und sensibel mit den individuellen Bedürfnisse jedes Teilnehmenden umgehen. Wir möchten uns gegenseitig unterstützen und einen Kommunikationsraum kreieren, in dem Menschen sich ihrer unterschiedlichen Positionen bewusstwerden. Deshalb wollen wir mit diesem Verhaltenskodex einen möglichst diskriminierungsarmen Raum schaffen, der kein diskriminierendes und übergriffiges Verhalten zulässt.
  • Respektiere individuelle Grenzen: Nur ja heißt ja! Nein heißt immer nein! 
  • Handle nach dem Konsensprinzip. Grenzüberschreitungen werden immer von den Betroffenen selbst definiert. Das Veranstaltungsteam steht auf der Seite der Betroffenen.
  • Die Definitionsmacht liegt bei den Betroffenen. Die betroffene Person definiert selbst, wann und welche Form von Gewalt oder Diskriminierung sie erlebt hat. Diese Definition wird ernst genommen.
  • Das Ausüben oder Androhen von psychischer, emotionaler und physischer Gewalt wird nicht toleriert.
  • Formen von Diskriminierung, Sexismus, Rassismus oder anderes menschenverachtendes Verhalten werden nicht geduldet.
  • Das äußere Erscheinen sagt nichts über die Geschlechtsidentität einer Person aus. Die von ihr festgelegten Pronomen sind von allen zu respektieren.
  • Passt aufeinander auf: Wenn du dich bedroht, belästigt oder unwohl fühlst, melde dich beim Sprecher:innenteam. Wenn du siehst, dass eine andere Person Hilfe braucht, frage bei der betroffenen Person nach oder mache eine*n Veranstalter:in oder Teilnehmer:in darauf aufmerksam.
  • Wir machen alle Fehler. Wenn Personen eine diskriminierende Sprache oder Denkweisen verwenden, versuchen wir sie durch konstruktive Kritik darauf aufmerksam zu machen. 
  • Wir bitten euch, wenn Menschen konstruktiv Kritik an euch richten, dafür offen zu sein und zuzuhören. 
  • Fehlende Einsicht für ein übergriffiges oder diskriminierendes Verhalten kann zum Ausschluss von der Veranstaltung führen.
  • Wenn du ein Foto/Video von Teilnehmenden machst und posten möchtest, bitte vorher um Erlaubnis. 

2.        Ziel und Inhalt des Schutzkonzeptes des Netzwerks Citykirchenprojekte

2.1.                Grundlagen

Was ist unter sexualisierter Gewalt zu verstehen?

„Sexualisierte Gewalt ... sind alle Handlungen, die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung darstellen.“ Sexualisierte Gewalt umfasst sowohl die Ausnutzung von Macht und Abhängigkeit zur Befriedigung sexueller Bedürfnisse als auch die Instrumentalisierung von Sexualität, um Macht und Gewalt auszuüben und zu demonstrieren. Sie kann verbal, nonverbal, psychisch oder physisch erfolgen.

Auch Verstöße gegen das Abstinenzgebot[1] in der Seelsorge/Pastoral sind hier zu berücksichtigen.

Grundsätzlich sind Abstands- und Abstinenzgebot (z.B. der EKD-Gewaltschutzrichtlinie[2] einzuhalten: Alle Mitarbeitenden haben das Nähe- und Distanzempfinden ihres Gegenübers zu achten. Gegenüber Kindern, Jugendlichen, Schutzbefohlenen sowie erwachsenen Besucherinnen und Besuchern.

In Beratung und Seelsorge sind sie zu einem vertrauensvollen und verantwortungsvollen Umgang mit Nähe und Distanz verpflichtet (Abstandsgebot).

In Seelsorge- und Vertrauensbeziehungen ist jede Art von sexuellem Kontakt verboten (Abstinenzgebot).

Besonders gefährdet sind Menschen die körperlich, psychisch, kognitiv oder sprachlich unterlegen oder in einer anderen Form abhängig sind. Sexualisierte Gewalt erfolgt aber auch zwischen Menschen auf „gleicher Ebene“ (Mitarbeitende, Klient*innen, Schutzbefohlene untereinander) oder gegenüber Betreuenden und Funktionstragenden.

Unsere Haltung: Christlicher Glaube und sexualisierte Gewalt sind unvereinbar

Wir verurteilen als Mitglieder des Netzwerks Citykirchenprojekte sexualisierte Gewalt aufs Schärfste.

Sexualisierte Gewalt passiert da, wo Menschen sind – auch in den Kirchen. Mit dem christlichen Glauben ist das unvereinbar. Sexualisierte Gewalt, von sexueller Grenzverletzung über Grenzüberschreitung bis hin zu strafrechtlich relevanten Handlungen, ist ein Angriff auf die menschliche Würde und die seelische und körperliche Integrität.

Besonders bei Kindern droht damit eine zusätzliche Verletzung der Identität. Sie ist Ausdruck von Selbstüberhöhung und Machtmissbrauch – sie verursacht Angst, Leid und kann zu schweren Traumatisierungen führen, die sich bis in die nächsten Generationen auswirken können. 

Es ist beschämend, wenn Menschen, die bei uns in den Kirchen und in kirchlichen Orten und Einrichtungen nach Gemeinschaft, Trost oder Orientierung suchen, und Menschen, die uns anvertraut sind, ausgenutzt und erniedrigt werden und sexualisierte Gewalt erfahren.

Sexualisierte Gewalt geschieht meist im Verborgenen. Oft werden die Taten, insbesondere Übergriffe gegenüber Kindern und Jugendlichen, von langer Hand vorbereitet. Durch sukzessive Annäherung, verbunden mit Aufmerksamkeit und Zuwendung, werden bei den Betroffenen persönliche und intime Grenzen aufgeweicht.

Dabei wird eine Bindung aufgebaut, die es den Betroffenen besonders erschwert, das ihnen auferlegte Schweigen zu brechen und sich anderen Menschen mitzuteilen. Die häufigsten Hemmnisse, die Taten zu offenbaren, sind Scham, Hilflosigkeit und fehlende Unterstützung.

Das Vertrauen in andere Menschen wird erschüttert, das Selbstwertgefühl schwer verletzt und der Bezug zum eigenen Körper kann verloren gehen. Betroffene kämpfen meist ein Leben lang mit den Folgen. 

Im kirchlichen Kontext verlieren Betroffene durch ihre Erfahrung nicht selten auch den Zugang zum Glauben als Kraftquelle.

Unser Ziel: Sexualisierter Gewalt keinen Raum geben

Grundlage unseres Lebens und Arbeitens in den Einrichtungen des Netzwerks Citykirchenprojekte sind der Glaube an Gott und die Nachfolge Jesu. Nach christlichem Verständnis besitzt jeder Mensch die gleiche Würde, egal welches Geschlecht, welches Alter, welche Hautfarbe oder welche körperliche oder psychische Verfassung sie oder er hat. Mitmenschen als Geschöpfe Gottes anzunehmen, bedeutet deshalb, einen respektvollen, wertschätzenden und achtsamen Umgang mit anderen zu schaffen, zu pflegen und zu fördern. Dazu gehört ein wohlbedachtes Verhältnis von Nähe und Distanz und die Wahrung persönlicher Grenzen.

Für unser tägliches Miteinander, für unser gemeinsames Leben und Arbeiten, bedeutet dies, umfassende Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass unsere Einrichtungen sichere Orte sind. Prävention geht uns alle an. Nur wenn der Schutz vor sexualisierter Gewalt, von Grenzverletzungen über sexuelle Grenzüberschreitungen bis zu sexuellem Missbrauch, selbstverständlich ist, können Glauben und Vertrauen Bestand haben. 

2.2.               Umfang und Zielgruppe dieses Schutzkonzepts

  • Das Netzwerk Citykirchenprojekte ist als Netzwerk / Dachverband nicht die Trägerin von Einrichtungen. 
  • Schutzkonzepte bilden die auf die einzelnen Tätigkeitsbereiche einer Einrichtung bezogene Konkretion der allgemein formulierten Grundsätze. Sie werden in den einzelnen Arbeitsbereichen vor Ort auf der Grundlage der Partizipation gemeinsam erarbeitet.
    Wir gehen davon aus, dass alle Mitgliedseinrichtungen ein eigenes Schutzkonzept für ihre Arbeit vor Ort haben.  jeweiligen Einrichtung vor Ort. Ihre Aufgabe ist es, diese Maßnahmen in Form von individuellen Schutzkonzepten zu dokumentieren.
  • Wir gehen ebenfalls davon aus, dass alle Mitgliedseinrichtungen Präventionsbeauftragte bestellen und bekannt geben.
  • ​Ihre Aufgabe ist es, den im eigenen Schutzkonzept festgeschriebenen Interventionsleitfaden aktuell zu halten und die Meldewege und zuständigen Stellen bekannt zu geben. Weiterhin sind sie für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Schutzfaktoren verantwortlich. 
  • Sie sollen Beratungs-, Informations- und Fortbildungsangebote initiieren. Absprachen hinsichtlich möglicher Kooperationen mit benachbarten Trägern (Kirchengemeinde/Pfarrei, andere diakonische Träger etc.) werden empfohlen.
  • Im Rahmen der Erfüllung ihrer Tätigkeiten sind Präventionsbeauftragte in den Einrichtungen und Ansprech- bzw. Vertrauenspersonen unabhängig und nicht weisungsgebunden. Die Einrichtungen sollen sich über externe Fachberatungsstellen in Bezug auf sexualisierte Gewalt in ihrer Umgebung informieren und sich mit diesen vernetzen.

3.        Risikoanalyse für das Netzwerk Citykirchenprojekte – mögliche Gefährdungen bei eigenen Veranstaltungen (z.B. Tagungen)

  • Das Schutzkonzept umfasst den Schutz der Menschen, die bei unseren Veranstaltungen von citypastoralen Angeboten des Netzwerks angesprochen werden oder diese wahrnehmen, unabhängig ob diese als Ehren- oder Hauptberufliche tätig sind.
  • Wir haben in der Regel kaum bis sehr wenige Kontakte zu Kindern und Jugendlichen („Schutzbefohlene“) Als „Schutzbefohlene“ in den Einrichtungen vor Ort können neben Kindern- und Jugendlichen psychisch und materiell bedürftige Menschen angesehen werden, die bei Tagungen nicht oder selten vorhanden sind.
  • Für die kirchlichen Tagungsorte bei Netzwerk-Veranstaltungen gibt es eigene Schutzkonzepte, die dann für die Tagungsteilnehmenden maßgeblich und zu übernehmen sind.
  • Der Meldeweg hängt von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten ab.

 

Für die Veranstaltungen des Netzwerks Citykirchenprojekte ist der/die Präventionsbeauftragte:

__________________________

Seine/ihre Vertretung ist: ________________________

Stand: 05.10.2025

 

4.        Ergänzende Hinweise und Bausteine zur Erstellung eines Schutzkonzeptes vor Ort

Jede Einrichtung sollte eine eigene Risiko- und Potenzialanalyse durchzuführen. 

Folgende Bausteine und Maßnahmen sind für die Entwicklung von bereichsbezogenen und individuellen Schutzkonzepten grundlegend. 

 

  • Leitbild (Grundhaltung)
  • Benennung der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten
  • Partizipation
  • Ausgestaltung von Nähe und Distanz
  • Verhaltenskodex bzw. Selbstverpflichtung[3]
  • Regelung von Handlungsabläufen
  • präventives Personal- und Ehrenamtlichenmanagement
  • Erweitertes Führungszeugnis für Hauptamtliche
  • Unterzeichnung der Selbstverpflichtung bzw. des Verhaltenskodex für Ehrenamtliche
  • Mitarbeitendenjahresgespräch
  • Schulung und Fortbildung
  • Beschwerdemanagement (interne und externe Ansprechpersonen)
  • Schulung und Fortbildung zu sexualisierter Gewalt
  • Präventions- und Informationsangebote
  • Sexualpädagogisches Konzept (Nur im Bereich der Angebote und Arbeit mit Kindern und Jugendlichen oder anderenSchutzbefohlenen)
  • Verhaltensregeln zum Umgang mit digitalen Medien
  • Austausch von persönlichen Daten
  • Umgang mit Foto-, Bild- und Videomaterial
  • Cybergrooming [4]
  • Vernetzung mit externen Fachberatungsstellen
  • Kenntnis eines (Über-)regionalen Interventionsleitfadens zum Vorgehen bei Hinweisen auf sexualisierte Gewalt
  • Kenntnis von Ansprech- und Meldestellen

 

[1] Abstinenzgebot: a) Mitarbeitende haben bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben eine angemessene Balance von Nähe und Distanz zu wahren. b) In Seelsorgebeziehungen verbietet sich jede Art von sexuellem Kontakt. Vertrauensbeziehungen und Abhängigkeitsverhältnisse dürfen nicht zur Befriedigung eigener oder fremder Be-dürfnisse und Interessen genutzt werden; die Ausübung sexualisierter Gewalt ist allen Mitarbeitenden untersagt.

[2] https://kirchenrecht-ekd.de/pdf/44830.pdf

[3] Neben dem oben eingeführten Code of Conduct kann als Beispiel gelten: Der Verhaltenskodex für Mitarbeitende der ELKB

Der Verhaltenskodex für Mitarbeitende der ELKB

Die Arbeit in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern lebt durch Beziehungen von Menschen miteinander und mit Gott. Unsere Arbeit mit allen Menschen, insbesondere mit Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen ist getragen von Respekt, Wertschätzung und Vertrauen.

Diese Haltung findet Ausdruck im folgendem Verhaltenskodex:

1.              Ich trage dazu bei, ein sicheres, förderliches und ermutigendes Umfeld für mir anvertraute Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, zu schaffen und/oder zu erhalten. Diese Haltung pflege ich auch im Umgang mit Kolleg*innen, mir zugeordneten Mitarbeitenden und Vorgesetzten.

2.              Ich trage dazu bei, alles zu tun, damit durch meine Tätigkeit keine sexualisierte Gewalt, Vernachlässigung und andere Formen der Gewalt möglich werden.

3.              Ich bemühe mich, die individuellen Grenzempfindungen der Menschen um mich herum wahrzunehmen und zu respektieren.

4.              Ich bin mir meiner besonderen Verantwortung als Mitarbeiter*in bewusst, gestalte einen verantwortungsvollen Umgang in Bezug auf Nähe und Distanz und missbrauche meine Rolle nicht.

5.              Ich beachte das Abstands- und Abstinenzgebot und nutze meine Funktion nicht für sexuelle Kontakte zu mir anvertrauten Menschen.

6.              Meine Kommunikation ist respektvoll und wertschätzend, sowohl im direkten Gespräch, als auch in der Kommunikation im digitalen Raum.

7.              Ich will jedes unangemessene Verhalten anderen gegenüber vermeiden und bin ansprechbar, wenn anderen an meinem Verhalten etwas Unangemessenes auffällt.

8.              Wenn ich (mir oder anderen gegenüber) eine Grenzüberschreitung bei meiner Tätigkeit bemerke oder von ihr erfahre, schaue ich nicht weg, sondern wende ich mich an die Ansprechpersonen oder an Fachberatungsstellen und lasse mich beraten.

9.              Ich werde entsprechend dem Interventionsplan meines Trägers vorgehen, wenn ich sexuelle Übergriffe oder strafrechtlich relevante sexualisierte Gewalt wahrnehme.

Ich nehme diesen Verhaltenskodex zur Kenntnis und verpflichte mich, mich daran zu halten.

[4] Wenn Täter oder Täterinnen im Internet nach ihren Opfern suchen.

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